Klimabilanzierung: Eine Bestandsaufnahme für die Zukunft
Die Treibhausgasbilanzierung ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um den aktuellen Stand der eigenen Kultureinrichtung im Bereich Nachhaltigkeit zu erfassen. Aber was ist das genau? Wie erstelle ich eine? Und was kann ich nach einer erfolgreichen Bilanzierung damit machen?
Was ist eine Treibhausgasbilanz?
Wie erstelle ich eine Treibhausgasbilanz?
Ich habe eine Treibhausgasbilanz erstellt ... und jetzt?
Was ist eine Treibhausgasbilanzierung?
Jede Kultureinrichtung verursacht klimaschädliche Treibhausgase, egal ob durch den Bau eines neuen Gebäudes, durch den laufenden Betrieb oder einzelne Veranstaltungen. Um herauszufinden, wie groß der eigene Fußabdruck ist, kann eine Treibhausgasbilanz erstellt werden. Diese hilft dabei, die eigenen Emissionen und den Ressourcenverbrauch der eigenen Einrichtungen zu quantifizieren und zu bewerten. Daraus können Maßnahmen abgeleitet werden, um eben diese Emissionen zu reduzieren.
Eine Einheit für alle Treibhausgase
Die zugrunde liegende Maßeinheit nennt sich CO2-Äquivalent (CO2e). Dass Kohlendioxid (CO2) ein Treibhausgas ist und sich für die Erderwärmung mitverantwortlich zeigt, ist vielen bewusst. Neben CO2 gibt es jedoch noch weitere Gase, die einen Treibhausgaseffekt haben können. Dies sind zum Beispiel Methan oder Lachgas. Ihre Wirkung auf das Klima ist zum Teil wesentlich größer als die von CO2, weil sie unter anderem länger in der Atmosphäre bleiben. Um die verschiedenen Gase vergleichbar zu machen, hat ein Expert:innengremium der Vereinten Nationen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) das sogenannte «Globale Erwärmungspotenzial» (Global Warming Potential) definiert. Dadurch wird die Klimawirkung der Gase in die Einheit CO2e umgewandelt.
Das Greenhouse Gas Protocol und die Scopes
Das Greenhouse Gas Protocol (GHG) ist einer der am weitesten verbreiteten Standards zur Erfassung von Treibhausgasbilanzen. Unter der Leitung des World Resources Institute (WRI) wurde 1998 eine Initiative aus Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), Regierungen und anderen Partner:innen gegründet. Deren Ziel ist es, einen weltweit akzeptierten Standard für Treibhausgasemissionen für Unternehmen zu entwickeln. So entstand das GHG.
Zur konkreten Erfassung der Treibhausgase hat das GHG verschiedene Bereiche von Aktivitäten, die sogenannten Scopes 1, 2 und 3, zur Bestimmung von direkten und indirekten Emissionen etabliert. Mit Hilfe der Scopes wird deutlich, an welchen Stellen der Wertschöpfungskette das jeweilige Unternehmen Einfluss auf die Emissionen hat.
Das Bild zeigt die verschiedenen Scopes innerhalb der Wertschöpfungskette.
In Scope 1 werden die direkten Emissionen erfasst. Für Kultureinrichtungen sind dies zum Beispiel die Heizungsanlage vor Ort, der eigene Fuhrpark oder Verflüchtigungen aus der Klimaanlage.
In Scope 2 sind energiebezogene indirekte Emissionen enthalten. Darunter fallen vor allem energiebezogene Emissionen wie der Strom-, Kälte- und Wärmebezug, wenn diese über Leitungen von externen Anbieter:innen geliefert werden.
In Scope 3 werden viele weitere Faktoren einberechnet, die für die meisten Kultureinrichtungen jedoch den größten Anteil an den Emissionen ausmachen. Dies sind die Besuchenden- und Mitarbeitendenmobilität, Abfall, eingekaufte Waren und vieles mehr.
Um die Werte innerhalb der Scopes möglichst genau und reproduzierbar zu erfassen, müssen verschiedene Prinzipien eingehalten werden.
Die Prinzipien
Ausführliche Informationen zu den hier stehenden Prinzipien des GHG finden Sie im Kulturstandard. Was sich hinter dem Kulturstandard konkret verbirgt, ist im folgenden Kapitel zur Erstellung einer Treibhausgasbilanzierung erläutert.
Wie erstelle ich eine Treibhausgasbilanz?
Im Folgenden finden Sie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie Sie eine Treibhausgasbilanz erstellen können. Wir verlinken Ihnen am Ende dieses Abschnitts zudem den CO2-Rechner nach aktuellem Kulturstandard.
Schritt 1: Verantwortlichkeiten klären und Zeit einplanen
Bevor es an die tatsächliche Datensammlung geht, müssen zunächst die Verantwortlichkeiten geklärt werden. Bestenfalls vergibt die Leitung Zeitkontingente, durch die sich Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen um die Bilanzierung kümmern können. Die Fäden sollten jedoch bei einer Person zusammenlaufen.
Je nach Datenlage kann die Treibhausgasbilanzierung von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten dauern. Letzteres bezieht jedoch auch die Wartezeit auf Antworten, die Durchführung von Umfragen etc. mit ein.
Schritt 2: Systemgrenzen festlegen
Im nächsten Schritt müssen die Systemgrenzen festgelegt werden. Diese bestimmen, welche Ein- und Auswirkungen der Kultureinrichtung in die Bilanzierung aufgenommen werden sollen. Als Beispiel können hier die verschiedenen Gebäude eines Museums genommen werden. Soll nur das Hauptgebäude berücksichtigt werden oder zusätzlich noch das Depot? Wie sieht es mit der Garage für mögliche Dienstfahrzeuge aus? Bei der Festlegung der Systemgrenzen ist jedoch dringend zu beachten, dass alles mit einem großen Fußabdruck auch bilanziert wird, selbst wenn die Daten schwieriger zu beschaffen sind. Nur so kann eine aussagekräftige Treibhausgasbilanz erstellt werden. Eine Vorauswahl für mögliche Systemgrenzen liefert der Kulturstandard in Deutschland.
Der Kulturstandard
Im Oktober 2023 hat die Kultusministerkonferenz erstmals einen Standard zur Erfassung von CO2e in Kultureinrichtungen verabschiedet. Dieser basiert auf dem Greenhouse Gas Protocol. Um die Arbeit der einzelnen Kultureinrichtungen zu erleichtern, wurden hier die Systemgrenzen gesetzt und die einzelnen Bestandteile der Scopes in drei verschiedene Bilanzierungstiefen aufgeteilt.
- KlimaBilanzKultur (KBK): Dieser Bereich ist bei einer Bilanzierung nach dem Kulturstandard verpflichtend.
- KlimaBilanzKultur+ (KBK+): Die erforderlichen Daten aus der KBK werden hier um einzelne Bereiche ergänzt, die häufig aufwändiger zu recherchieren sind. Diese sind optional, aber empfehlenswert.
- Beyond Carbon: Hier können zusätzliche Güter bilanziert werden, die zwar Einfluss auf die Umweltwirkung der Kultureinrichtung haben, jedoch nur geringe CO2e-Emissionen aufweisen.
Schritt 3: Daten sammeln und auswerten
Die Sammlung von Daten ist gerade zu Beginn besonders aufwändig. Orientierung bei der Frage, welche Daten gesammelt werden sollen, bietet der Kulturstandard. Hier wurde für die schon genannten KBK, KBK+ und Beyond Carbon eine Vorauswahl getroffen. Natürlich können diese bei Bedarf noch um weitere Daten ergänzt werden.
Die Daten
KlimaBilanzKultur (KBK) Scope 1, 2 und 3 | KlimaBilanzKultur + (KBK+) Scope 3 erweitert | Beyond Carbon |
---|---|---|
Wärme |
Anreise Besuchende |
Papierverbrauch Büro |
Strom |
Einkauf Medien |
Druck- und Werbematerialien |
Kühl- und Kältemittel |
IT-Dienstleistungen |
Verpackungsmaterialien |
Fuhrpark |
Relevante Stoffströme |
Wasserverbrauch |
Geschäftsreisen |
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Pendeln der Mitarbeitenden |
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Externe |
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Warentransporte |
Werde ein:e Meisterdetektiv:in!
Alle Daten für eine Treibhausgasbilanzierung zu sammeln, kann langwierig und schwierig sein. Häufig muss zunächst in Kleinstarbeit herausgefunden werden, in welcher Abteilung die gesuchten Daten vorhanden sind oder ob externe Stellen wie zum Beispiel Stromanbieter:innen die Daten erst noch zur Verfügung stellen müssen. Der große Aufwand wird sich jedoch lohnen, denn bei der zweiten Bilanzierung wissen alle Beteiligten schon Bescheid. Die Suche wird einfacher.
Tipps zum Sammeln
- Gebäudespezifische Bereiche (Strom, Wärme, Wasser, Müll, Medien) sind häufig auf den Abrechnungen der Verbräuche zu finden. Diese können meist über die Buchhaltung oder bei Vermieter:innen erfragt werden. Bei manchen Kommunen wird dies auch zentral gesammelt und nicht bei der Kultureinrichtung selbst.
- Der Bereich Mobilität kann über das Fahrtenbuch des Fuhrparks, Umfragen an Mitarbeitende und Besuchende etc. ermittelt werden. Hier können wieder die Buchhaltung, die Personalabteilung oder die Marketingabteilung helfen.
Was muss bei den Daten beachtet werden?
Die Qualität der Daten spielt eine entscheidende Rolle bei einer Bilanzierung. Allerdings stehen nicht immer die originalen Daten zur Verfügung. Welche sollen dann angegeben werden? Die folgende Liste zeigt die verschiedenen Möglichkeiten von der besten bis zur schlechtesten Art:
- Primärdaten → Verbräuche (ideal)
- Extrapoliert → Verbräuche/Daten von ähnlichen Gebäuden/Daten
- Modelliert → Umfragen, von kleineren Datensätzen auf größere hochrechnen
- Durchschnittswerte
- Keine Daten
Der Rechner und die Dokumentation
Nachdem Sie sich nun für einen der Bereiche entschieden und die Daten gesammelt haben, müssen diese noch in einen CO2e-Rechner eingetragen werden. Die Kultusministerkonferenz stellt dafür einen Excel-Rechner zur Verfügung. Im Rechner sind die passenden Emissionsfaktoren für das jeweilige Jahr schon hinterlegt. Emissionsfaktoren sind repräsentative Werte, welche die Auswirkungen verschiedener Materialien und Prozesse auf die Umwelt wiedergeben. Sie sind die Grundlage für die Berechnung der geschätzten Treibhausgasemissionen einer bestimmten Tätigkeit oder eines Prozesses und werden jährlich neu berechnet. Durch die Vorgaben wird sichergestellt, dass alle Kultureinrichtungen mit denselben Faktoren rechnen.
Nach Eintragung aller Daten erhalten Sie den Fußabdruck in Tonnen CO2e von Ihrer Kultureinrichtung.
Während Sie die Daten in den Rechner eintragen, ist es wichtig, die Herkunft der Daten zu dokumentieren. Woher stammen Ihre Daten? Was für eine Umfrage haben Sie gemacht? Welche Qualität haben die Daten? Sind diese extrapoliert, Durchschnittswerte oder haben Sie an manchen Stellen auch keine Daten? All diese Informationen werden Ihnen bei der nächsten Treibhausgasbilanzierung helfen, eine ähnliche bzw. sogar verbesserte Bilanzierung zu erstellen. Der CO2e-Rechner bietet Felder für die Dokumentation, Sie können aber natürlich auch eigene Dokumente dafür erstellen.
Ich habe eine Treibhausgasbilanz erstellt und jetzt?
Herzlichen Glückwunsch!
Sie haben alle Herausforderungen gemeistert und erfolgreich eine Treibhausgasbilanz für Ihre Kultureinrichtung erstellt. Darauf können Sie ruhig einmal im Team anstoßen.
Maßnahmen oder: Wie geht es weiter?
Mit der Treibhausgasbilanz haben Sie einen wichtigen ersten Schritt hin zu ökologischer Nachhaltigkeit gemacht. Denn aus dieser Bilanz heraus können Sie Maßnahmen zur CO2e-Reduktion entwickeln, die Sie nach und nach umsetzen. Wenn Sie nun in regelmäßigen Abständen eine Bilanz erstellen, werden Sie sehen, wie der Footprint immer weiter sinkt. So besteht die Möglichkeit, die Erfolge der Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen. In der unten stehenden Tabelle finden Sie verschiedene Handlungsfelder für mögliche Maßnahmen.
Mögliche Handlungsfelder für Maßnahmen
Interne Organisation (Leitbild, Verantwortlichkeiten, Vernetzung) |
Energieeffizienz (Gebäudezustand, Beleuchtung, Technik, Klimatisierung) |
Klimaanpassung (Biodiversität, Hitzebelastung, Unwetter) |
Mobilität (Besucher:innen, Mitarbeiter:innen, Dienstfahrten) |
Energieversorger (Energieträger, Ökostrom, PV-Anlage) |
Materialien und Abfall (Materialkreisläufe, Mülltrennung, Materialsharing) |
Kommunikation (Sichtbarmachung der Maßnahmen, Netzwerke aufbauen) |
Konsum (Produkte im Shop, Merchandise, Catering, Café, Restaurant) |
Kultur- und Bildungsangebot (Aufbereitung des Themas Nachhaltigkeit, Kuration, Bildungsprogramme) |
Was gilt es jetzt noch zu beachten?
1. Auch wenn die Treibhausgasbilanz nach dem Kulturstandard erstellt wurde, kann die eigene Kultureinrichtung trotzdem nur schwer mit anderen verglichen werden. Jede Kultureinrichtung ist anders, besitzt unterschiedlich große Bühnen, Depots usw. Aus diesem Grund ergibt nur ein Vergleich mit sich selber Sinn. Hierfür ist die Erstellung einer Treibhausgasbilanz alle ein bis zwei Jahre geeignet.
2. Machen Sie Ihre Treibhausgasbilanz öffentlich! Binden Sie die gewonnenen Daten mit in Ihre Öffentlichkeitsarbeit ein, aber geben Sie diesen immer einen Kontext. Wenn Besuchende zum Beispiel sehen, wie viel die Besucher:innenmobilität von der Treibhausgasbilanz ausmacht, nehmen diese beim nächsten Mal vielleicht lieber den ÖPNV oder bilden Fahrgemeinschaften. Auch die Durchführung von Maßnahmen zur Nachhaltigkeit können damit in eine Kommunikationsstrategie eingebunden werden.
3. Sie können auch externe Agenturen mit der Erstellung Ihrer Bilanz beauftragen. Zwar müssten Sie weiterhin die erforderlichen Daten liefern, aber je nach Umfang des Auftrags sparen Sie dadurch Zeit.
4. Sie müssen keine Treibhausgasbilanz erstellen! Aktuell gibt es noch keine gesetzliche Verpflichtung zu einer Bilanz. Es ist lediglich eine gute Methode, um den Status Quo zu bestimmen. Sollte der Aufwand also Ihre eigentliche Arbeit lähmen, dann investieren Sie die Zeit lieber direkt in die Umsetzung von Maßnahmen. In vielen Kultureinrichtungen verursachen zum Beispiel Energie und Mobilität die meisten Emissionen. In diesen Bereichen könnten Sie mit ersten Maßnahmen beginnen.
Beispiele aus der Praxis
Initiative "Elf zu Null – Hamburger Museen handeln"
2022 schlossen sich elf Museen, Ausstellungshäuser und Gedenkstätten in Hamburg mit dem Ziel CO2 einzusparen und das Thema Betriebsökologie in den musealen Alltag zu integrieren zusammen. Nach einer ersten Bilanzierung für das Jahr 2019 mit eigenen Systemgrenzen, haben sie nun das Jahr 2022 mit dem CO2-Kulturstandard bilanziert. Deren Beitrag zeigt, wie der gemeinsame Weg zur Nachhaltigkeit aussehen kann.
Projekt „Köln hoch 3“
Bei dem Projekt „Köln hoch 3“ haben sich verschiedene Kölner Kultureinrichtungen zusammengetan und Klimabilanzen nach dem aktuellen Standard für das Jahr 2022 verfasst. Diese können als Beispiele für die eigene Beschäftigung mit einer Treibhausgasbilanz nach dem Standard dienen.
► Klimabilanz Bühnen Köln - Depot
► Klimabilanz Stadtbibliothek Köln - Haus Balchem
► Klimabilanz Historisches Archiv mit Rheinischem Bildarchiv
► Klimabilanz Philharmonie Köln